Informationen
Als Vormund haben Sie eine Rolle in verschiedenen rechtlichen Verfahren, an denen das Kind beteiligt ist, unabhängig davon, ob dem Kind ein separater gesetzlicher Vertreter zugewiesen wurde. Im Allgemeinen müssen Sie:
- das Kind über sein Recht auf Rechtsberatung und Vertretung unterrichten
- sicherstellen, dass ein gesetzlicher Vertreter ernannt wird und kostenlose Rechtsberatung zur Verfügung gestellt wird, wann immer das Kind dazu berechtigt ist
- die Arbeit von Fachleuten, die Rechtsberatung und Vertretung leisten, überwachen
- die Kommunikation zwischen dem Kind und diesen Fachkräften erleichtern, und, falls erforderlich, einen qualifizierten Dolmetscher beauftragen
- Sie gegebenenfalls das Kind begleiten und Sie sich aktiv an Interviews und Anhörungen beteiligen
Zusätzlich zu diesen allgemeinen Aufgaben haben Sie möglicherweise eine spezifischere Rolle, abhängig von der Art des Verfahrens und der Situation des einzelnen Kindes. Dies könnte verwaltungs-, zivil- oder strafrechtliche Verfahren einschließen.
Zivilprozessverfahren
Auch wenn ein Kind aus der elterlichen Umgebung herausgelöst wurde und eine Rückkehr oder Wiedervereinigung der Familie nicht möglich ist oder nicht dem Wohl des Kindes entspricht, können die zuständigen Kinderschutzbehörden ein zivilrechtliches Verfahren einleiten, damit das Kind in einer Betreuungseinrichtung oder bei Pflegeeltern untergebracht wird, um seine Eingliederung zu fördern oder Gefahren vorzubeugen. Der Vormund sollte an solchen Verfahren in vollem Umfang teilnehmen und das Wohl des Kindes vertreten und so gewährleisten, dass die Entscheidungen zum Wohl des Kindes getroffen werden und dass die Ansichten des Kindes berücksichtigt und ihnen entsprechend seinem Alter und seiner Reife gebührend Gehör verschafft wird.
Strafrechtliche Verfahre
Die Richtlinie zum Opferschutz (2012/29/EU) enthält eine Reihe von Bestimmungen zum Schutz von Opfern von Straftaten (siehe insbesondere Artikel 24). Auch die Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern (2011/93/EU) sieht Schutzgarantien für Kinder vor, die an strafrechtlichen Verfahren beteiligt sind.
Beide Richtlinien spiegeln Standards wider, die in den Leitlinien des Europarats für eine kindgerechte Justiz (2010) niedergelegt sind.
Menschenhandel ist ein schwerer Straftatbestand. Dementsprechend sieht die Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels (2011/36/EU) eine Reihe von begünstigenden Bestimmungen für den Schutz der Opfer vor, während und nach dem Strafverfahren vor. Kinder, die Opfer von Menschenhandel sind, können an Strafverfahren beteiligt werden. Der Vormund muss darauf vorbereitet sein, das Kind in dieser Hinsicht zu unterstützen. Die Richtlinie enthält spezielle Schutzvorschriften für Opfer des Menschenhandels während strafrechtlicher Ermittlungen und Verfahren im Allgemeinen (Artikel 12) und für Opfer im Kindesalter im Besonderen (Artikel 15). Darüber hinaus legt Artikel 8 der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels (2011/36/ EU) den Grundsatz der Nichtbestrafung von Opfern fest.
Normalerweise wird dem Opfer im Kindesalter im Strafrechtssystem ein Rechtsanwalt zugewiesen, damit es Rechtsberatung und -beistand erhält. Es ist Aufgabe des Vormunds, sicherzustellen, dass das Kind gemäß den nationalen Rechtsvorschriften Zugang zu Rechtsbeistand hat. Wird kein Rechtsanwalt bestellt, sollte der Vormund die zuständigen Behörden zur Bestellung eines Rechtsanwalts auffordern. Der Vormund sollte sich in enger Zusammenarbeit mit dem Rechtsanwalt, der dem Kind zugewiesen wurde, dafür einsetzten, dass das Kind in den vollständigen Genuss der in der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels (2011/36/EU) und/oder in den nationalen Gesetzen niedergelegten Bestimmung gelangt, und darauf bestehen, dass die Rechte des Kindes als Opfer und als Zeuge im Strafverfahren gegen den Menschenhändler geschützt werden. Im Strafverfahren besteht die Aufgabe des Vormunds vorrangig darin, das Kind zu unterstützen, da der Rechtsanwalt die eigentliche rechtliche Hilfe bereitstellt
Tools und Schulung</note]
Checkliste: Maßnahmen, die der Vormund und/oder der gesetzliche Vertreter in Bezug auf zivilrechtliche Verfahren ergreifen kann
- Das Kind über das Verfahren und den Entscheidungsfindungsprozess informieren.
- Das Kind über verfügbare Optionen aufklären und ihm den möglichen Ausgang des Verfahrens erklären.
- Sicherstellen, dass das Kind Zugang zu Rechtsbeistand hat.
- Gewährleisten, dass das Kind die Möglichkeit auf Ausübung seines Rechts hat, gehört zu werden und dass seinen Ansichten gebührendes Gewicht beigemessen wird.
- Das Kind auf die Verhandlungen und Befragungen der zuständigen Behörden vorbereiten und es während des gesamten Verfahrens unterstützen.
- Sich beim Entscheidungsfindungsprozess für das Wohl des Kindes einsetzen.
- Auf jeden Fall gewährleisten, dass das Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigt wird, alle Verfahrensgarantien eingehalten werden und die Einwilligung des Kindes eingeholt wird.
- Bei den regelmäßigen Überprüfungen von Verfahren zur Unterbringung des Kindes anwesend sein.
Checkliste: Maßnahmen, die der Vormund in Bezug auf Strafverfahren ergreifen kann
- Gewährleisten, dass das Kind Zugang zu angemessenem rechtlichem Beistand hat: dass ohne unangemessene Verzögerung ein qualifizierter Rechtsanwalt bestellt wird, der das Kind gemäß den nationalen Rechtsvorschriften rechtlich berät und es vertritt.
- Dem Kind helfen, eine Entscheidung bezüglich seiner Beteiligung und Mitarbeit in einem Strafverfahren in Kenntnis der Sachlage zu treffen: sicherstellen, dass das Opfer im Kindesalter über Sicherheitsfragen und die mit dem Verfahren verbundenen Gefahren informiert ist und sie wirklich versteht, bevor es sich entscheidet, an dem Strafverfahren gegen den mutmaßlichen Menschenhändler teilzunehmen und gegen ihn auszusagen oder nicht.
- Sicherstellen, dass das Kind genau weiß, welche Ansprüche auf Hilfe und Schutz von seiner Bereitschaft, an dem Strafverfahren teilzunehmen, abhängen und welche nicht davon abhängen, und dass das Kind weiß, dass es das Recht hat, seine Zusammenarbeit mit dem Justizsystem zu einem späteren Zeitpunkt zu überprüfen.
- Das Opfer im Kindesalter ermutigen, seine Bedenkzeit voll auszuschöpfen, bevor es eine Entscheidung in der Angelegenheit trifft, wenn dies dem Wohl des Kindes förderlich ist.
- Dem Kind helfen, die ihm übermittelten Informationen, einschließlich der Informationen des gesetzlichen Vertreters, zu verstehen.
- Das Kind begleiten und bei allen Befragungen und Verhandlungen dabei sein.
- Das Kind emotional und psychisch vor den Befragungen und Verhandlungen vorbereiten und sicherstellen, dass es die Verfahren und das Ergebnis wirklich versteht.
- Das Ergebnis des Verfahrens und die Gerichtsentscheidungen mit dem Kind besprechen und ihm deren Bedeutung für seine besondere Situation erklären sowie dem Kind die Möglichkeiten aufzeigen, die ihm in Zukunft zur Verfügung stehen.
- Zusammen mit dem Rechtsbeistand des Kindes sicherstellen, dass das Kind nicht für strafbare Handlungen verfolgt wird und/oder keine Strafen dafür verhängt werden, die auf der Ausbeutung des Kindes beruhen, wie dies in Artikel 8 der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels (2011/36/EU) festgelegt ist.
Tool zur Unterstützung von Akteuren in Rechts- und Gerichtsverfahren
Das CONNECT-Projekt (2014) hat das Tool „Standards” entwickelt, um sicherzustellen, dass unbegleitete Kinder mit Migrationshintergrund uneingeschränkt teilnehmen können“, um Akteure in Rechts- und Gerichtsverfahren zu unterstützen. Das Tool ist verfügbar unter hier.
Leitlinien zur kindergerechten Justiz
Das Ministerkomitee des Europarates hat am 17. November 2010 Leitlinien für eine kindgerechte Justiz verabschiedet. Die Leitlinien sollen den Zugang von Kindern zum Justizsystem und dessen Behandlung verbessern. Zu den behandelten Themen gehören Information, Vertretung und Mitwirkungsrechte, Schutz der Privatsphäre, Sicherheit, ein multidisziplinärer Ansatz und Schulung, Schutzmaßnahmen in allen Verfahrensstufen und Freiheitsentzug. Die Richtlinien sind verfügbar unter hier.
Online-Kurs zu kindgerechter Justiz und Kinderrechten
Das Europäische Programm zur Menschenrechtsbildung für Juristen (HELP) unterstützt die Mitgliedstaaten des Europarates bei der Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (der Konvention) auf nationaler Ebene. Eines der entwickelten Tools ist der „HELP-Online-Kurs zu kindergerechter Justiz und Kinderrechten“, der Menschenrechtsbildung für Juristen bietet. Das Tool ist verfübar unter hier.
Einen Flyer mit praktischen Informationen finden Sie unter hier .
Bewährte Verfahren
Niederlande: Rechtsabteilung
Nidos verfügt über eine Rechtsabteilung mit Rechtsberatern, die sich auf den Schutz von Kindern und das Einwanderungsrecht spezialisiert haben. Sie beraten die Vormunde und arbeiten auch mit den Anwälten zusammen, die den Kindern Rechtsbeistand leisten.
Wenn ein Kind unter der Vormundschaft von Nidos die Niederlande verlässt, hat Nidos die Pflicht zu untersuchen, ob das Kind an einem geeigneten Ort angekommen ist und sich bei einem Erwachsenen aufhält, der die Vormundschaft des Kindes übernehmen kann und will. Um die Eignung des Ortes zu prüfen, kann der Nidos-Vormund das Rote Kreuz, die ISS oder eine andere nationale oder nichtstaatliche Organisation kontaktieren. Wenn sich aus den bereitgestellten Informationen ergibt, dass die Umstände zufriedenstellend sind, stellt der Vormund einen Antrag auf Entlassung aus der Vormundschaft unter Angabe der neuen Adresse des Kindes und der Namen des Betreuers an das Jugendgericht. Wenn die Umstände nicht zufriedenstellend sind, sollte die Vormundschaft auf eine Vormundschaftsinstitution übertragen werden.
All dies ist nur möglich, wenn Nidos das Ziel des Kindes kennt. Wenn ein Kind zu einem unbekannten Ziel aufgebrochen ist, muss der Vormund das Kind als vermisst bei der Polizei melden und alle möglichen Schritte unternehmen, um den Aufenthaltsort des Kindes zu ermitteln. Gelingt dem Vormund dies nicht, aber es ist klar geworden, dass sich das Kind nicht mehr in den Niederlanden befindet, wird Nidos den Jugendgerichtsrichter nicht um die Entlassung aus der Vormundschaft des Kindes bitten. Dies liegt daran, dass der Richter des Jugendgerichts dem Antrag auf Entlassung aus der Vormundschaft nur zustimmen kann, wenn Nidos die aktuelle Adresse des Kindes in den Antrag einschließt. Die Vormundschaft wird dann fortgesetzt, bis diese am 18.Geburtstag des Kindes gesetzlich zu Ende ist.
Kroatien: Sozialfürsorgezentren
In Kroatien gibt es 80 Sozialfürsorgezentren. Jedes Zentrum verfügt über eine Abteilung für Kinder- und Familienschutz sowie einen Rechtsanwalt, der sich mit Kinderschutz und internationalem Kinderschutz befasst. Gemäß verschiedenen Bestimmungen sind Sozialfürsorgezentren verpflichtet, einem Vormund eines unbegleiteten Kindes Unterstützung, Beratung und weitere rechtliche Unterstützung zu gewähren, wenn er das Kind in Gerichtsverfahren unterstützt. (Familienrecht, Sozialhilferecht, Protokoll über die Behandlung von unbegleiteten Kindern).